Zusammenhänge lassen sich nicht erkennen, die Textstrukturen sind frei von Bedeutung. Diese Texte hier im Grevenbroicher Tagblatt finden ihr Vorbild in der IT. Doch was ist mit IT hier überhaupt gemeint?
Hier geht es nicht um „Technik“, sondern, wie sie das Leben schreibt und bestimmt; wie die Menschen mit oder ohne sie umgehen. Keine Verwirrungen oder Insidergeschichten; vielmehr reihen sich Überraschungen an Bekanntes, bekannte Muster an Unverständnis und groteske Hintergründe an langweiligem Vordergrund. Einträge aus dem Hoteltagebuch verwirren zusätzlich.
Zwischen Herrenwiese und Deutschorden
Denk‘ ich an Deutschland in der Nacht, wundere ich mich über alte Ortsbezeichnungen und anderes. Was ist dieses Deutschland? Vor allem viel mehr, als man an seinem eigenen Wohnort spürt. Andere Bundesländer, andere Sitten? Für einen Nordrheiner, also Rheinländer, ist schon Westfalen gefühlt Teil des Auslandes. 300 Kilometer entfernt hat man Europa also eigentlich schon verlassen. Die Herrenwiese gibt es an vielen Orten, den Deutschorden vielleicht auch, doch verweisen sie in die Vergangenheit; hunderte oder gar tausend Jahre zurück. Da ist eine Altstadt noch alt! Und alles klingt hier etwas anders. Modernität, so normal sie auch sein mag, wirkt hier fast aufgesetzt. Wirken doch die alten Orts- und anderen Namen ungewöhnlich für mich; möchte ich mich auf einer Herrenwiese wiederfinden? Oder im Deutschorden? Die Tradition der Kreuzritter wirkt auf mich so alt, kriegerisch und sperrig, daß ich auch einer kirchlichen Nachfolgeorganisation skeptisch gegenüber stehe.
Vermutlich sind die Menschen sehr nett. Bis auf einige, die nicht nett sind. — So wie überall.
Hotelleben: Toller Panoramablick in unbedeutende Landschaft
Wundervoll! Toller Blick in Hügellandschaft mit mittelschweren Industrieanlagen, unterbrochen nur von vielen Straßen, kleineren Gebäuden und größeren Kurkliniken. Hier ist die Aussicht noch Aussicht. Versteckt im Detail eines Ausschnittes, zwar eines Panoramas nicht würdig, aber doch schön, lockt die reine Natur zum Verweilen. Der Luftkurort begeistert mit monetarisierter Kurluft, die zu atmen „ein einzigstes“ Vergnügen ist. Hetzt man dann noch die Berge rauf und runter, ist das Naturerlebnis perfekt! Mit einem Auto geht das auch ganz flott.
Nicht falsch verstehen: Die Gegend ist schön und die Menschen sind sehr nett. So wie ich. 🙂
22. März 2025
Freunde gewinnen?
Gängiger Brauch von IT-Menschen ist es, ihre Umwelt zu brüskieren. Da mag der Schockmoment die freche Tat motivieren, und Einsicht in andere Notwendigkeiten der Treiber solcher Handlung sein. Die Adressaten solch bereinigender Sprechakte mögen innerhalb oder außerhalb der IT sein — da macht der Sprecher keinen Unterschied; diskriminiert werden alle gleichermaßen. Der Sprechakt hat sein Ziel erreicht, sofern die „Berührung“ eintritt: Unangenehm, emotional, jedenfalls bewegend im besten Platonischen Sinne. Im Sinne Luhmanns wird sofort entscheidenswert, ob der Sprechakt „mit Recht“ zurückgewiesen wird oder „lernend“ als Kritik und Veränderung akzeptiert wird. Die eingangs erwähnte Brüskierungbeschleunigt die Entscheidung: Wird zunächst ein Akzeptieren noch in Erwägung gezogen, schlägt das Pendel doch schnell Richtung Ablehnung aus. Die sachliche Debatte ist vorbei. Ein Beispiel für eine solche Besprechung?
Weiß Deine Mutter, was Du hier machst?
Für jeden Sprechakt gibt es dabei natürlich noch die Eskalation. Eskalationen sind in der IT wesentlich und unspektakulär; sie stellen einen normalen Vorgang dar, um Themen in höhere Ebenen zu transportieren — aber nicht hier. Die Antwort auf die Frage oben scheint sachlich nicht möglich zu sein (wäre aber so dringend erforderlich!) — da wird die Eskalation emotional. Überraschend, mit einer 50/50-Chance auf Erfolg, setzt das gewiefte Opfer nun möglicherweise Humor ein. Es gibt eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit auf Eskalation. Verzichtet die Antwort auf Aggression, finden sich vielleicht neue Freunde, lachen los und fangen an zu arbeiten. Spannend wird es dann, wenn der Humor nicht fruchtet. Selten fliegen Gegenstände, aber ab jetzt wird das Gespräch (und die der kommenden Tage, Wochen und Jahre) nie wieder ohne Würze auskommen.
Würze — sie kann scharf sein und Hitze verursachen; Bittersüßes oszilliert zwischen Sarkasmus und Ironie, während Salziges jeden einzelnen Tag geschmacksverstärkend veredeln kann. Die Vielfalt der Gewürze wird erst beim Kennenlernen der Personen offensichtlich, und Überraschendes und Bekanntes reihen sich an einander.
Keine Freunde gewinnen!
Wer nun glaubt, so gewänne man keine Freunde, ist offenbar IT-fremd. Die Eskalation wird in den meisten Fällen wohl gelingen. Auch wenn der gegenteilige Eindruck entsteht, daß es selten gelingt, Freunde derart zu gewinnen. Nun sind Menschen, die in der IT arbeiten, nicht allzu häufig im Verdacht, zu viele soziale Bindungen einzugehen. Und doch steckt in den meisten ein gutes Herz! (Hoffe ich zumindest, denn es wird selten spürbar. Doch vielleicht hilft der obige Apell!)
Ein gutes Herz — was ist das denn bei ITlern? Fragen wir die Betroffenen, erhalten wir vermutlich technische Antworten. Daher frage ich lieber nicht, sondern mutmaße — ein äußerst beliebtes Mittel in der IT, um niemanden fragen zu müssen. Mein gutes Herz sieht gerade vor, üble Mutmaßungen zu ersinnen, die wir alle den anderen unterstellen. Legen wir los!
26. Januar 2025
Jemand zugestiegen?
Leicht vernebelt wirkend, gar autistisch, läuft der Zugbegleiter durch den Wagen. „Ist noch jemand zugestiegen. Noch jemand zugestiegen. Ist noch jemand zugestiegen.“ Ich verstehe das ja auch, normalerweise, daß die Frage Sinn macht. Aber er ging doch vor wenigen Augenblicken schon in die andere Richtung: „Ist noch jemand zugestiegen? Ist noch jemand zugestiegen?“ Zwischendurch stoppte der Zug; haha: aber es war kein HALT, wie es eisenbahnerisch heißt, sondern die Tür war defekt und wir sammelten unsere 76.-85. Minute Verspätung ein. Mitten auf den Gleisen ist wohl kaum jemand „zugestiegen. Noch jemand zugestiegen.“ Nein, niemand ist mehr zugestiegen. Wie konnte es nur so weit kommen? Werde ich auch so, wenn ich den Job nur lange genug mache? „Noch weitere Firewallregeln? Noch jemand Firewallregeln? Hat noch jemand Quelle, Ziel und Port?“ Der Tag ist grau, nicht mehr bunt, die Klimaanlage säuselt in mein Ohr, „unser nächster Halt ist“ mir doch egal — solange ich noch nicht zu Hause bin. Muß ich eigentlich mehr bezahlen, wenn ich den Komfort der Bahn durch Verspätungen länger genießen darf? Was fange ich mit der freien Zeit an, die ich durch das Bahnfahren habe? Fahrgastrechtformulare ausfüllen, alternative Züge prüfen, Menschen über meine Verspätung informieren, mit langsamem Internet die Akkus meiner Mobilgeräte entleeren. „Willkommen im Intercity der Deutschen Bahn nach Nürnberg, unser nächster Halt ist“ noch eine ganze Weile von meinem Ziel entfernt. Verrückt! Werde ich. Statt mit mir selbst zu sprechen, schreibe ich das hier ins Seelenforum. „War noch jemand zugestiegen? Jemand zugestiegen?“ Ich habe schon überlegt, hier einfach auszusteigen. Das bringt mich dann meinem Ziel nicht näher, aber ich sammle wenigstens keine Verspätung mehr ein und bin für das Erreichen, Nichterreichen und die Verspätung dann wenigstens selbst verantwortlich. Dabei sitze ich hier einfach nur. Und tue nichts. Nicht mal Spazierengehen oder eine Zeitung lesen. Aber ich bleibe natürlich sitzen, um dann auch mal anzukommen, bahndurchweicht. Dann weiß man wenigstens, was man getan hat an so einem Arbeitstag mit Reise. Ja also, ist denn „hier noch jemand zugestiegen?“ Nein, denn niemand wartet auf einen Zug, der 82 Minuten Verspätung hat, und der schon vom anderen eine Stunde später überholt worden ist. Ich bin auch nicht motiviert, 1. Klasse zu reisen, denn dann würde ich erstklassig verspätet ankommen und wahrscheinlich ohne Reservierung, nachdem zwei defekte Wagen abgekoppelt, ach nein, „ausgestellt“ worden sind, so heißt das ja. Vielleicht nehme ich dann doch das nächste Mal ein anderes Verkehrsmittel, wie Flugzeug, Auto oder Schiff. Das geht bestimmt besser.
30. Juni 2017

Hoteltagebuch: Duschkabinentürenqualitätssicherung
Irgendwann einmal werde ich in ein richtig teures Hotel einchecken. So ein richtig fett teures Hotel. Dort werden sie vermutlich jeden Tag die Duschkabinentüren reparieren. Also, so reparieren, daß sich eine Türe auch mit einer Hand und sogar innerhalb weniger Sekunden schließen läßt, und so, daß auch kein Spalt offenbleibt. Ich glaube, daß nur die teuren Hotels ab zweihundert, dreihundert Euro diesen Service bieten. Und ich glaube, daß diese Hotels nur deswegen so teuer sind, weil jeden Tag die Duschkabinentüren repariert werden. Die Duschkabinentürenreparateure sind rar und teuer, und daher können sich Hotels unter hundert Euro diese Servicekräfte einfach nicht leisten. In diesem teuren Hotel werde ich es dann genießen, die Tüte elegant und einfach zu schließen. Und nach der Dusche wieder zu öffnen. Also, so wie eigentlich zu Hause immer. Da es aber Seltenheitswert hat, in einem Hotel diese Türen so einfach und elegant zu öffnen, werde ich sie wohl so oft öffnen und schließen, wie ich möchte; und das ist sehr oft. Immer wieder werde ich die Türen öffnen und schließen. Vielleicht werde ich sogar den ganzen Tag über immer wieder duschen. Rein und wieder raus. Das möchte ich einmal erleben.
Oder ich werde Duschkabinentürenoptimierer. Es sollte doch möglich sein, Duschkabinentüren zu finden, die sich öffnen und schließen lassen. Dann könnte ich mit einem Stundensatz von dreihundert Euro die Duschkabinentürenreparatur wegoptimieren, und zusammen mit den Duschkabinentürkosten würde auch das Hotel mehr verdienen. Bei den Reparaturkosten lohnt sich dann sicher auch die Komplettsanierung aller Bäder im Hotel. Und von dem Geld könnte ich dann in einem teuren Hotel übernachten. Als zusätzlichen Service biete ich dann den vollständigen Prozeß an, inklusive Qualitätssicherung. Ich stelle mir da diese Ikea-Maschinen vor, die hundertmal in der Minute auf ein Sofa einhämmern. Zunächst müßten also die Ikea-Maschinen einen Tag lang Duschkabinentüren öffnen und schließen. Nicht ganz billig, aber Qualität hat ihren Preis. Wenn das überstanden ist, kommt die zweite Stufe: Kinder gehen duschen. Das muß schließlich auch überstanden werden. Hat die Duschkabinentüre das hinter sich gebracht, kommt die Königsdisziplin: Hotelgäste. Das wird die größte Herausforderung: Menschen finden, die in der Lage sind, Duschkabinentüren so zuzurichten, wie ich sie immer vorfinde. Einerseits muß das ausgeschrieben werden; aber andererseits sind diese Menschen doch irgendwie überall. Sie verstecken sich aber. Vielleicht sind das eine Art negative Heinzelmännchen, die nachts heimlich kommen und Duschkabinentüren zerstören. Wie finde ich die bloß?
21. Oktober 2015
Hoteltagebuch: Kücheneinweisung
Guggemal, schnubbemal. Und hier der Arbeitsbereich, der muß immer frei bleiben. Wenn Sie hier einen Teller abstellen möchten, muß hier Platz sein. Niemals schmutziges Geschirr und sauberes auf dieselbe Ablage, das ist auch ein Hygieneaspekt. Ich komme gerade in den Frühstücksraum und verstehe, was der Hotelier meinte, als er bei meiner Ankunft von der Einarbeitung einer neuen Küchenkraft sprach. Und wenn Sie ein Rührei machen, dann machen Sie das so, das müssen Sie rühren, Rührei kommt von rühren, nicht von Omelett. Der Hotelier spricht ganz gerne, offenbar bespricht er nicht nur mich sehr gerne. Wenn die Gäste Rührei wollen, und wir haben drei Lagen Eier verbraucht, dann fragen wir uns, wo sind denn die ganzen Eier geblieben. Der gesprächige Hotelier ersetzt das Radio. Ich muß erst mal wach werden. Die Küche ist direkt neben dem Frühstücksraum, ok. Beim Hören des Hotelierradios fällt auf, daß die Türe auch geschlossen sein könnte. Guggemal, schnubbemal. Ist die Detailtiefe dieser Einweisung wirklich notwendig, Ausrufezeichen. Das Rührei schmeckt recht gut. Die Hälfte hätte dann auch gereicht.
7. Oktober 2015